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Beitrag vom 06.12.2010
Plenumsdebatte zu grünem Gesetzesentwurf einer Frauenquote in Aufsichtsräten
Britta Meyer
Am 3. Dezember 2010 wurde im Bundestag in erster Lesung der Entwurf eines Gesetzes diskutiert, der die Einführung einer gesetzlichen Quote bei Aufsichtsräten vorsieht. Die Opposition ist dafür, ...
... die Koalition ist dagegen und die Frauenministerin entzog sich schon im Vorfeld der Situation.
Die Freiwilligkeit ist gescheitert
Der Anteil von Frauen in den Aufsichtsräten liegt in den 200 größten deutschen Unternehmen bei nur knapp zehn Prozent. In den Vorständen der deutschen Dax-Konzerne gab es bis vor wenigen Monaten nur eine einzige Frau, jetzt sind es insgesamt vier. Der Männeranteil in den Vorstandsposten der Dax-30-Unternehmen liegt damit bei 98 Prozent. Die freiwillige Selbstverpflichtung zur "Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft" zwischen Bundesregierung und ArbeitgeberInnenverbänden hat damit seit ihrer Beschließung im Jahr 2001 keine auch nur im Mindesten zufriedenstellenden Ergebnisse erbringen können.
Wie es bereits der Deutsche Juristinnenbund am 1. Dezember 2010 bei der Vorstellung seines Projektes "Aktionärinnen fordern Gleichberechtigung - Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen deutscher Unternehmen" zusammenfasste, schmücken sich Unternehmen gerne mit dem Anspruch auf Vielfalt, entsprechen diesem aber keinesfalls.
Das ernüchternde Fazit der freiwilligen Selbstverpflichtung lautet also: Lippenbekenntnisse zur Geschlechtergerechtigkeit gibt es von allen Seiten überreichlich, getan wird jedoch von alleine nichts.
Ohne ein Gesetz wird sich nichts bewegen
Dabei ist die Quote durchaus machbar, wie es andere europäische Länder zeigen. Spanien sieht eine geschlechtergerechte Besetzung der Aufsichtsräte bis 2015 vor, Frankreich hat im Januar 2010 eine gesetzlich verordnete Quote von 20 Prozent bis zu in sechs Jahren geplanten 40 Prozent beschlossen. In Norwegen ist die gesetzliche Quote ein alter Hut: Dort sitzen seit 2006 bereits 40 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten aller börsennotierten Unternehmen – wer diesen Anspruch nicht erfüllt, der verliert die Zulassung. Konservative Befürchtungen, die hierin den Anfang vom Ende der norwegischen Wirtschaft sahen, haben sich aufgrund der positiven Bilanzen seit 2006 inzwischen wieder beruhigt.
Im deutschen Bundestag wurde darum am 3. Dezember 2010 in erster Lesung ein Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen debattiert, der die Einführung einer gesetzlichen Frauenquote bei Aufsichtsräten vorsieht. Der Entwurf schreibt ab 2015 eine Mindestquote von 30 Prozent und ab 2017 von 40 Prozent für börsennotierte Unternehmen und Unternehmen mit ArbeitnehmerInnenmitbestimmung vor. Wird das nicht erreicht, droht die Nichtigkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse zur Aufsichtsratswahl und die Nichtigkeit von Beschlüssen eines quotenwidrig zusammengesetzten Aufsichtsrats. Der Gesetzesentwurf wurde anschließend zur federführenden Beratung an den Rechtsausschuss überwiesen. Renate Künast, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, sprach sich mit viel Nachdruck für den Entwurf aus und rief Frauen aller Fraktionen, besonders aber die der CDU/CSU dazu auf, "ihr Herz in die Hand zu nehmen" und für die Einführung einer Frauenquote zu kämpfen.
"Deutschland ist ein Spätzünder", sagte Künast. Den deutschen ArbeitgeberInnen warf sie vor, noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen zu sein.
Die Opposition will die Quote, die Regierung will lieber abwarten
Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) gestand zwar ein, dass die freiwillige Selbstverpflichtung nichts gebracht habe, sähe es aber immer noch lieber, wenn es in Sachen Frauenförderung zu einer Kooperation mit der Wirtschaft komme. Werde bis 2013 nicht ein deutlich besseres Ergebnis erzielt, dann werde auch ihre Fraktion zur Quote greifen.
Christel Humme von der SPD unterstützte den grünen Gesetzesentwurf, der ihrer Fraktion aber noch nicht weit genug gehe. Sie forderte eine 40-Prozent-Quote nicht nur für die Aufsichtsräte, sondern auch für die Vorstände. Diese solle ab 2013 gelten, "wenn in den nächsten zwei Jahren nichts Entscheidendes passiert", so Humme.
Marco Buschmann von der FDP-Fraktion wusste das alles besser. Er äußerte sich höhnisch über die Quote als ein Wundermittel, das auf Knopfdruck alle ökonomischen und geschlechterpolitischen Missstände zum Guten wenden solle. Buschmann zitierte einen Artikel der "Süddeutschen Zeitung", demzufolge die Einführung einer gesetzlichen Frauenquote in norwegischen Unternehmen nicht zu mehr Frauen in Spitzenpositionen geführt habe, sondern lediglich dazu, dass eine Elite von 70 norwegischen Top-Managerinnen nun über 300 Mandate in Aufsichtsräten verfüge.
Die frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Cornelia Möhring, klärte ihren Vorredner darüber auf, dass nicht alles, was in der Zeitung stehe, richtig sei und unterstützte den Gesetzentwurf der Grünenfraktion. Sie kritisierte aber ebenfalls, dass diese Quote nur für Aufsichtsräte gelten solle und kündigte deshalb für das Frühjahr 2011 einen eigenen Antrag ihrer Fraktion an, in dem die Einführung einer gesetzlichen Frauenquote von 50 Prozent für Aufsichtsräte und Vorstände von Unternehmen gefordert werden soll.
Beschämende Nichtanwesenheit des Frauenministeriums
Dr. Kristina Schröder (CDU) äußerte sich nicht zu den vorgetragenen Argumenten beider Seiten. Die deutsche Ministerin für Frauen und Familien hatte offenbar Wichtigeres zu tun, als einer ihr ureigenstes Ressort betreffenden Debatte beizuwohnen und hatte, gemeinsam mit der Regierungskoalition, rechtzeitig zu deren Beginn den Raum verlassen. Eine bedauerliche Entscheidung, da doch gerade die Frage der Quote ein Thema ist, zu dem Frau Schröder sich so oft und gerne ablehnend äußert. "Das ist untragbar", erklärte Henrike von Platen, Präsidentin des Frauennetzwerkes Business and Professional Women (BPW) Germany.
Renate Künast machte sich nachdrücklich für ein gemeinsame Arbeit der Frauen aller Fraktionen stark, um das Ziel der gesetzlichen Quote endlich auch in Deutschland erreichen zu können. So appellierte sie:
"Es gibt eine gläserne Decke, es gibt eine nicht vom Grundgesetz legitimierte mindestens 90-Prozent-Männerquote. Hier sage ich: Ich möchte die CDU- und vor allem die CSU-Frauen kämpfen sehen!"
Woraufhin aus den Reihen der CDU/CSU der Ruf kam:
"Das tun wir doch!"
Na, dann mal los!
Den vollständigen Gesetzesentwurf zur geschlechtergerechten Besetzung von Aufsichtsräten vom 13. Oktober 2010 finden Sie unter: dip21.bundestag.de
Die BMFSFJ-Studie ist online erhältlich unter:
Aktionärinnen fordern Gleichberechtigung
Weitere Informationen finden Sie unter:
FidAR – Frauen in die Aufsichtsräte e.V. www.fidar.de
McKinsey-Studie: Führungsqualitäten in der Krise: Women Matter 3
Catalyst-Studie: Catalyst Census of Women Corporate Officers and Top Earners of the Fortune 500
Die freiwillige Selbstverpflichtung zur "Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft" (2001)
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